Im Rahmen unserer Nordspanien-Reise besuchten wir auch die bedeutendste Weißweinappellation des Landes. Das Anbaugebiet Rueda erstreckt sich vom Ufer des Duero westlich von Valladolid nach Süden. Im Zentrum der Weinbauregion liegt die alte Handelsstadt Medina del Campo. Zur Zeit stehen auf etwa 10000 Hektar vor allem weiße Reben.
Die Hauptrebsorte des Gebietes ist Verdejo – der Shootingstar in der spanischen Weißweinszene. Die Weinberge befinden sich auf mindestens 650 m Höhe, an einigen Orten wachsen sie sogar auf 900 m und darüber. Selbst an heißen Sommertagen fallen die Temperaturen in der Nacht stark ab, so dass sich Säure und Frucht optimal ausbilden können. Die frisch-fruchtige Stilistik der Weine wird durch die kargen Böden unterstützt. Es sind überwiegend gut drainierte Kiesböden mit ein wenig Kalkstein. Zum Teil sind sie eisenhaltig. Das fördert das Ausbilden einer lebhaften, meist jedoch schön balancierten Säure.
Wir gastierten beim Kontrollrat der D.O. Rueda und ließen uns über aktuelle Entwicklungen im Gebiet informieren. Wichtigster Trend: Die Sorte Verdejo gewinnt weiter an Bedeutung und wird bereits auf drei Viertel der Rebfläche kultiviert, während der Anteil von Sauvignon blanc rückläufig ist. In 2012 wurden nehr als 63 Mio. Flaschen Rueda produziert, 18 Prozent davon gingen in den Export. Exportland Nummer 1 sind mit über 3 Mio. Flaschen die Niederlande, gefolgt von Deutschland mit knapp 2,7 Mio. Flaschen und den USA mit etwas mehr als 1,1 Mio. Flaschen.
Anschließend gab man uns die Gelegenheit, eine große Auswahl der im Gebiet produzierten Weine zu verkosten. Der Jahrgang 2012 präsentierte sich insgesamt bereits sehr zugänglich mit einer wunderbar klaren, frischen und enorm fruchtigen Performance. Bei aller Unterschiedlichkeit im Detail waren eine Reihe stilistischer Gemeinsamkeiten deutlich zu erkennen. In der Nase eines jungen Rueda dominiert sehr oft feinstes Stachelbeeraroma, begleitet von zarter Apfelfrucht, Birnen oder Mango, Pfirsich und einem Hauch Limone. Am Gaumen gefielen viele Abfüllungen durch einen vollen und weichen Eindruck. Säure, Frische und Fruchtigkeit vermählen sich beim Rueda auf wundervolle Weise mit Fülle und Extraktreichtum. Vereinzelt wird im Gebiet auch neues Eichenholz eingesetzt, das allerdings eher selten für zusätzliche Komplexität sorgt.
Dass sich Verdejo und neues Eichenholz auch sehr gut miteinder vertragen können, davon konnten wir uns beim Besuch der Bodega Ossian Vides y Vinos überzeugen. Ossian Vides y Vinos ist das Projekt von Aalto-Chef Javier Zaccagnini. Zacchagnini, der sich mit dem Pierre Millemann einen führenden Önologen aus dem Burgund als Berater holte, hat den Ehrgeiz, im Bereich des Weißweins Ähnliches zu vollbringen, wie es ihm mit Aalto in der D.O. Ribera del Duero gelungen ist – einen neuen Qualitätsstandard zu setzen und einen der besten Weißweine des Landes im Stile des Burgund zu etablieren.
Ismael Gozalo, der Agroingenieur des Weingutes, erläuterte uns im Kelterhaus, was Ossian blanco, den Topwein des Betriebes so besonders macht: „Das natürliche Potenzial ist einzigartig. Unsere Weinberge sind die höchst gelegenen im ganzen Gebiet und wir können auf bis zu 160 Jahre alte, wurzelechte Verdejo-Reben zurückgreifen. Da wir hier über Sandböden verfügen, konnte die Reblaus, die den Sand nicht mag, den Weinbau unseres Gebietes Ende des vorletzten Jahrhunderts nicht zerstören.“ Ismael strahlt: „Wer so kostbare Reben hat, pflegt sie auch entsprechend. Deshalb arbeiten wir ökologisch und schützen unsere Reben mit Salbei, Brennesseln, Schachtelhalm und anderen Pflanzen gegen Schädlinge.
Das gesamte kellertechnische Prozedere ist eng an die Vinifizierungstraditionen des Burgund angelehnt, „zumindest soweit es hilft, unsere Vorstellungen vom idealen Ossian zu verwirklichen. Die Gärung und der Ausbau finden in Barriques aus französischer Eiche im alten Kloster Parral statt.“
Der Ossian ist sicherlich einer der ungewöhnlichsten Vertreter der D.O. Rueda. Er erinnert tatsächlich mehr an einen großen Burgunder als an den fruchtig-frischen Stil der überwiegenden Mehrheit der Weine des Gebietes. Als wir ihn im Glas haben, wird es still, auch Ismael unterbricht seinen Redefluss, es knistert vor Spannung, bis sich die ersten anerkennend verneigen und andere applaudieren. Alle wissen: Das ist ein großer Weißwein!
Allein aufgrund seiner Preisklasse bleibt der Ossian jedoch ein Luxusprodukt. Die Liebhaber preiswerter Alltagsweine kommen bei Ossian Vides y Vinos auch auf ihre Kosten. Der „Quintaluna“ kostet rund 6 Euro und hat das Zeug für einen Kassenschlager. Er wird zu 60% aus Verdejotrauben gekeltert, die von uralten, wurzelechten Weinstöcken stammen. Der Rest stammt aus jungen Trauben, die in Spalierzeilen erzogen werden. Der Quintaluna präsentiert sich in der Nase zurückhaltend fruchtig und ungemein fein. Seine Aromen erinnern dezent an weiße Blumen und frische Kräuter und einen Hauch Anis, Steinobst (Pfirsiche) und Zitrusfrüchte (Zitronen und Mandarinen). Am Gaumen gefällt er mit einem runden, harmonischen Auftritt und einem erfrischenden, recht druckvollen Finale.
Weitere empfehlenswerte Rueda-Produzenten
Bodegas Álvarez y Diez, Bodegas Belondrade y Lurton, Castilla la Vieja, Vinos Blancos de Castillo (Marqués de Riscal), Cooperativa Agricola Castellana, Sanz, Terna Bodegas, Marqués de Irún, Vinedos de Nieva