von Janek Schumann
Asien ist im zukünftigen Wachstum des globalen Weinmarktes das Maß aller Dinge. Wenn es überhaupt noch eines Beweises dafür bedurfte – die am letzten Donnerstag zu Ende gegangene 6. Auflage der Vinexpo Asia – Pacific in Hongkong erbrachte diesen mit Nachdruck.
Robert Beynat, Chief executive der größten Wein- und Spirituosenmesse in Asien zeigte sich zur abschließenden Pressekonferenz mehr als zufrieden: die Vinexpo 2010 brach alle Rekorde in Bezug auf Aussteller, Besucher und geschäftlichen Möglichkeiten. Rund 12.000 Besucher wurden gezählt – ein dickes Plus von 40% im Vergleich zur letzten Messe. 58% der Besucher kamen aus 25 asiatischen Ländern, geführt von China, Taiwan und Japan. 42% der Besucher waren aus Hongkong und Macau. Auf der Besucherliste Importeure wie Suntory (Japan), ASC Fine Wine (China), Einkäufer von Airlines (Cathay Pacific, Thai Airways) sowie von Hyper- and Supermärkten (u.a Metro Asia und Woolworths). Auch die Aussteller zeigten mehrheitlich zufriedene Gesichter. Xavier Magen vom Libourner Negiocant Vedrenne berichtete von drei arbeitsintensiven Tagen – alle wichtigen Importeure waren am Stand. Gleiches war von Olivier Schöpfer, Exportleiter der Winzergruppe Accents Sud-Ouest zu hören, für den Hongkong und China zu den wichtigsten zukünftigen Märkten gehören. Für ihn ist vor allem die Dynamik beeindruckend, in der sich der chinesische Markt entwickelt – sowohl im Absatz als auch in der Zunahme von Wissen und professionellen Umgang mit Wein.
Nachdem Frankreich in den letzten Jahren in fast allen wichtigen Abnehmerländern deutlich Federn lassen musste, gehören die asiatischen Länder und insbesondere Hongkong zu den Schlüsselmärkten für zukünftiges Wachstum. Hier ist die Welt noch in Ordnung – eine von drei verkauften Flaschen Wein in Hongkong ist französischen Ursprungs. Logischerweise stellte Frankreich auch die Mehrheit der Aussteller, aber auch Nationen wie Italien, Spanien oder die USA zeigten deutlich Flagge und demonstrierten, das man vom Wachstumskuchen ein großes Stück abhaben will. China wurde als Weinproduzent von zwei Betrieben repräsentiert: dem Giganten Dynasty aus Tianjin und Grace Vineyards aus der Provinz Shanxi.
Mehrfach beeindruckend war die Vinexpo auch in anderer Hinsicht. Die Mehrzahl der Besucher war im Alter zwischen 20 – 30 Jahren. Es zeigt, dass Wein bei den jüngeren Altersgruppen absolut „in“ ist und bestätigt optisch die Aussage einer Studie von Wine Intelligence, dass Importwein vor allem in der Zielgruppe unter 40 Jahren getrunken wird. Fast Wahnsinn das Interesse an den mehr als 30 begleitenden Veranstaltungen, Seminaren und Tastings. Volle Räume, emsig schreibende Teilnehmer und riesiger Informationsbedarf waren kennzeichnend für fast alle Veranstaltungen. Keine Frage, dass Asien in großen Schritten die noch klaffende Lücke in punkto Weinwissen im Vergleich zu Europa oder Amerika in den nächsten Jahren weitgehend schließen wird.
Bei näherer Betrachtung des asiatischen Potentials wird klar, das vor allem China und mit gewissen Abstand Indien die Wachstumstreiber in den nächsten Jahren sein werden – auch wenn bei aller Euphorie das Ganze etwas differenzierter zu betrachten ist. Bis 2013 wird der Weinkonsum um 25% wachsen – viermal schneller als im Rest der Welt. Zum Ende dieser Periode wird China an 7. Stelle im weltweiten Weinkonsum stehen, was einem jährlichen Konsum von mehr als 900 Mio Litern entspricht. Basis dieses Wachstums von 31% in China – allerdings ausgehend von einem niedrigem Niveau (2009: pro Kopf Verbrauch 0,50 l) – sind eine nach wie vor boomende Wirtschaft (8,2% Wirtschaftswachstum in 2009), ein Zuwachs der urbanen Mittelklasse zwischen 18 – 50 Jahren (Einkommen jährlich > 100.000 RMB = rd. 10.000 EUR) von 22,8 Mio auf 80 Mio in 2025, ein Verschiebung des Konsums von Bier und Spirituosen zu Wein sowie ein ungebrochener Trend zum westlich geprägten Lifestyle bei den schon erwähnten jüngeren Altersgruppen. Gesundheitspekte und gesellschaftliches Ansehen sind wichtige Gründe für den Genuss von Wein, wobei eindeutig Rotwein bevorzugt wird. Importierten Wein wird im Vergleich zu einheimischen Wein mit höherer Qualität und mehr Emotionalität verknüpft und spielt im Businessbereich den entscheidenden Part. Wein als Speisenbegleiter spielt bisher eher eine untergeordnete Rolle, auch wenn in vielen Top-Restaurants dieses Thema zunehmend Gewichtung findet (Tipp: www.asianpalate.com). Aus der bereits erwähnten Studie von Wine Intelligence geht hervor, das regional starke Unterschiede bestehen. In Hongkong, Shanghai und anderen südchinesischen Großstädten dominiert ausländischer Wein die Regale und Restaurantkarten währenddessen in Nordchina und Beijing mehr einheimischer Wein konsumiert wird. Größte Barrieren für den Export nach China sind komplizierte Einfuhrbestimmungen, eine Importtax von 48% sowie kulturelle und sensorische Unterschiede. Cesar Yang, Sales & Marketing Director von Grace Vineyard sagte im Gespräch, dass die meisten Exportbetriebe einfach ihre Etiketten und Beschreibungen ins Chinesische übersetzen, ohne diese essentiellen Unterschiede zu beachten. So wird zum Beispiel der Deskriptor „Schokolade“ in China ganz anders assoziiert als in Europa oder Australien. Eine Weinansprache, die genau diese Unterschiede berücksichtigt und auf regionale Sinneseindrücke und Beschreibungen abgestimmt ist, gehört zu den ersten Hausaufgaben für den Export in den asiatischen Raum.
Das China auch als Produzent zunehmend ernst zu nehmen ist, beweisen derzeit rd. 600 etablierte Betriebe, die auf rund 500.000 ha jährlich rd. 12 Mio hl produzieren (Angaben OIV). Ein riesiger Technologie- und Wissentransfer aus Frankreich haben in den letzten Jahren deutlich ihre Spuren hinterlassen. Rund Dreiviertel des Marktes wird von einigen Giganten wie Dynasty oder Great Wall dominiert, die nach internationalem Vorbild aus französischen Sorten Designer-Weine herstellen und für die Zukunft ambitionierte Ziele haben. Die 1980 als Joint-Venture (zusammen mit Remy Cointreau) gegründete Dynasty Fine Wine Group gab mit ihrer Präsentation auf der Vinexpo eine globale Marschrichtung vor. Strategische Partnerschaften (u.a. Grand Chais de France, Henkell) sollen dabei helfen, den Absatz außerhalb China´s anzukurbeln, auch wenn zwischen dem eigenem Anspruch als „One of the world´s leading wine and spirits operators“ und den doch eher biederen und substanzarmen Weinen noch große Lücken klaffen. Das man sich längst auf Augenhöhe mit dem Vorbild Frankreich sieht, beweist die Eröffnung des „Dynasty Château“ anläßlich des 30. Geburstages von Dynasty in diesem Jahr. Für Superlative fehlen die Worte angesichts der gigantischen Größe des neuen archiktonischen Aushängeschildes – jedes Bordeaux-Château sieht daneben wie eine Hundehütte aus.
Einen anderen Ansatz verfolgt Grace Vineyards in Shanxi. Gegründet in 1997, wird das Weingut heute von der dynamischen Judy Leissner geleitet. Auf der rd. 200 ha mit sandig-lehmigen Böden werden vorwiegend Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Chardonnay angepflanzt. In den letzten Jahren kam noch etwas Riesling dazu. Das extrem kontinentale Klima mit Frost und Reifeproblemen spiegelt sich in den Weinen wieder und macht jedes Jahr zur echten Herausforderung. Chief-Winemaker ist der Australier Ken Murchison, der zurzeit den Fokus auf die Arbeit im Weinberg setzt. Statt Menge werden hier ganz klar Qualitätsziele verfolgt – für die nächsten Jahre ist nur eine geringe Ausweitung der Flächen geplant. Der Großteil der Produktion wird in der Region und in Großstädten wie Shanghai und Beijing verkauft, wo man auch eigene Outlets eröffnet hat. Seit 2008 wird gemeinsam mit Torres (Spanien) an der „Symphony-Serie“ gefeilt – erster Wein ist ein halbtrockener Muskat für das Pairing zur chinesischen Küche.
Ein beherrschendes Thema während der Vinexpo war natürlich angesichts der 2009er Bordeaux-Primeurkampagne der Fine Wine Markt in Asien. Hongkong hat vor wenigen Wochen New York als Fine Wine capital abgelöst – nirgendwo in der Welt lagert mehr hochwertiger Bordeaux als in Hongkong. David Elswood, International Director of Wine of Christie´s erläuterte während einer Interviewstunde die Gründe für diesen Aufstieg und gab einen Ausblick für die nächsten Jahre. Christie´s führt neben 4-5 anderen Auktionshäusern jährlich zwei Auktionen in Hongkong durch – rd. ein Drittel des weltweiten Umsatzes im Wein-Auktionsgeschäft werden hier generiert. Gründe für den Erfolg in Hongkong sind u.a. ein etablierter und kontinuierlich gewachsener Markt für High-End Weine in den letzten zehn Jahren, eine stabile finanzielle Basis, gewachsenes Wine-Knowledge und natürlich die Reduzierung der Import-Tax auf 0 % vor zwei Jahren. Insgesamt haben Auktionen einen Anteil von 10% am gesamten Markt für Feine Weine. Im Gegensatz zu Europa oder Amerika ist es jedoch ein Investement for Enjoyment – ein Großteil der Weine dient nicht zur Anlage, sondern wird getrunken. Jeder kann sich ausrechnen, dass dies die Nachfrage nach den gesuchtesten Weinen in den nächsten Jahren zusätzlich anheizen wird. Einige Weine im Fälschungen sind natürlich wie bei anderen Luxusartikeln besonders in Asien ein Problem. Für David Elswood wird Hongkong auch in den nächsten Jahren die Nr. 1 im Vergleich zu anderen wichtigen Handelsplätzen wie Tokio oder Singapur sein. Bordeaux 2009 ist für ihn ein Zeichen einer möglichen Überhitzung des Marktes – möglichweise wird in den nächsten 3-4 Jahren die Spekulationsblase platzen. Kritisch sieht Elswood, dass insgesamt eine relativ geringe Anzahl an Käufern den Markt im absoluten High-End Geschäft kontrollieren – einer der Gründe, warum sich Weine wie Lafite vom restlichen Markt vollkommen abgekoppelt haben. Präzise auch die Antworten auf die Frage zum zukünftigen Weinland China: „fast growing, unlimited potential, maybe price advantage, maybe some excellent wines“.