Spätburgunder-Vertikale

Spätburgunder Verkostung

Das „Arbeitspensum“ der Pinot noir-Verkoster – ein vinophiles Vergnügen

Die Spätburgunder-Vertikale des Weinguts Helmut Dolde, Frickenhausen-Linsenhofen in Württemberg

Einen besonderen Weinabend konnten ein knappes Dutzend Spätburgunder-Enthusiasten Anfang Januar im hauseigenen Verkostungsraum des FuW-Mitglieds Hannes Rehm erleben: Eine Vertikal-Verkostung von 10 Jahrgängen des Weinguts Dolde aus Linsenhofen im Neuffener Tal, einem kleinen Anbaugebiet im Bereich oberer Neckar. Eine Besonderheit auch deshalb, stammen die Weine doch vom höchsten Spätburgunder-Weinberg Württembergs und sind daher als „cool climate“-Pinots eine Ausnahmeerscheinung in Deutschland.

Gleich zweimal Spannung war bei dieser speziellen Degustation zu erwarten, denn Spätburgunder zum einen steht für eine noble, aber schwierige Rebsorte, die wegen ihrer Empfindlichkeit bei Winzern und Kellermeistern als „Diva“ unter den Rotweinen gilt. Zweitens erhofften sich die Verkoster beim Vergleich zweier Rotweinlinien (mit und ohne Barrique-Ausbau) Auskunft darüber, ob sich Spätburgunder im Holzfass über die Jahre anders entwickelt als derjenige aus dem Stahltank.

Die Vertikal-Verkostung erhielt durch die Teilnahme des Winzers selbst, der die einzelnen Jahrgänge durch Informationen zum jeweiligen Klimaverlauf und Besonderheiten der Kellertechnik ergänzte, eine persönliche und dadurch authentische Atmosphäre.

Dass Helmut Dolde zudem seit 2 Jahren seinen Barrique-Spätburgunder nach unterschiedlichen Stilistiken ausbaut, – nämlich nach „deutschem Stil“, den man vereinfacht als fruchtbetont bezeichnen kann, und dem eher strukturbetonten „burgundischen Stil“ – verleiht den neueren Jahrgängen eine interessante zusätzliche Facette. Dieser Vergleich wird jedoch erst Gegenstand einer zukünftigen Verkostung sein.

Flaschen folgender Jahrgänge standen bereit:

  • Spätburgunder Barrique
    • 2015
    • 2014
    • 2013
    • 2012
    • 2011
    • 2009
    • 2007
  • Spätburgunder Jurakalk (Stahltank)
    • 2010
    • 2008
    • 2004

So konnte eine lückenlose Abfolge von 9 Jahrgängen plus dem 2004er verkostet werden. Der Vorschlag des Winzers, mit diesem ältesten Jahrgang zu beginnen und dann schrittweise zu den jüngeren Gewächsen zu wechseln, erwies sich als absolut richtig, zeigen doch die reiferen Weine durch den Säureabbau und die Polymerisation der Gerbstoffe während der Lagerung feinere, subtile Aromen, die durch vorausgehende junge „Kraftprotze“ zu Unrecht in den Hintergrund gedrängt würden.

Die 10 Flaschen aus dem Keller des Gastgebers wurden am Vortag auf Trinktemperatur gebracht und am Verkostungstag vormittags dekantiert. Eine Vorgehensweise nicht ohne Risiko, denn ältere Jahrgänge laufen Gefahr, durch den Sauerstoffschock zu oxidieren und in die Ungenießbarkeit zu kippen. Doch da der Luftkontakt nur kurzzeitig erfolgte, waren diese Befürchtungen unbegründet.

Ohne auf die einzelnen Weine im Detail einzugehen, ergab sich folgendes Fazit:

  • Alle Weine waren in einwandfreiem Zustand
  • Weine aus eher schwierigen Jahren (2010, 2013) zeigten durch eine solide Säurestruktur eine fruchtige Frische und lassen eine enorme Langlebigkeit erwarten.
  • Die Weine der Jahrgänge 2007 und 2012 waren auf dem Reifehöhepunkt und bereiteten höchstes Trinkvergnügen.
  • Die jüngeren Jahrgänge ergaben kraftvolle, fast wuchtige Spätburgunder, die mit ihrer Saftigkeit und Würze bereits jetzt Genussreife erlangen.
  • Sowohl die Weine aus dem Barrique als auch die Gewächse aus dem Stahltank zeigten gleichermaßen ein langjähriges Lagerpotenzial. Selbst der älteste Jahrgang des Panels (2004) war geprägt von frischer Farbe und noch deutlichen Cassis-Noten.

Insgesamt eine beeindruckende Kollektion von konstant hohem Niveau, die durch die Experimentierfreude und Neugier von Helmut Dolde immer wieder neue Nuancen und Aromen-Eindrücke der Spätburgundertraube hervorbringt.

Hannes Rehm