Chenin Blanc ist ein Allroundtalent. Diese Eigenschaft kann jedoch manchmal mehr Fluch als Segen bedeuten. Dabei weist er eine so umfassende Bandbreite an Stilistiken auf, wie kaum eine, vielleicht keine der Rebsorten die zum Kreis der Cépages noble gehören. Von trocken bis edelsüß, im Holz oder Stahltank, als Still- oder Schaumwein ausgebaut, deckt er alle Facetten ab die die Kellerwirtschaft zu bieten hat.
Da er zudem sehr hohe Erträge bringen kann, findet man ihn immer wieder als „Bückware“ im Supermarkt (so nennt der Handel Produkte, die in den unteren Regalreihen einsortiert werden und die die verkaufsfördernde Platzierung auf Augenhöhe des Kunden nicht verdient haben). Dort verstaubt er nur deshalb nicht, weil er sich am untersten Ende der Preisskala befindet.
Als die Chenin Blanc Association den Fachverband unabhängiger Weinreferenten bei seiner Studienreise nach Südafrika einlud, um ein Dutzend trockener Vertreter der Rebsorte zu präsentieren, waren die Erwartungen zugegebenermaßen nicht allzu hoch. Die positive Überraschung war umso größer, als deutlich wurde, welche Weine die Rebsorte hervorbringt, wenn beispielsweise mit alten Reben, dem richtigen Holzeinsatz, erheblicher Ertragsreduzierung und vor allem aber mit Zeit und Beharrlichkeit gearbeitet wird.
So wird der Jardin Inspector Péringuey Chenin Blanc des Jordan Wine Estate aus über 30 Jahre alten Reben gekeltert, im mehrfach belegten Barrique vergoren und für 8 Monate auf der Hefe gelagert, um dann mit einem im Stahl ausgebauten Wein derselben Rebsorte, rückverschnitten zu werden. Das Ergebnis ist ein Chenin Blanc mit fester Struktur, griffiger Säure und Aromen von reifer Birne, etwas Quitte und einer Vielfalt tropischer Früchte, die auf angenehme und dezente Art immer sehr präsent sind. Dabei ist dieser Wein nur ein Beispiel von zwölf interessanten Repräsentanten des Chenin Blanc, die die Verkostung zu einem spannenden Erlebnis werden ließen.
Neben den trockenen Weinen dieser Jahrhunderte alten Rebsorte, gibt es am Kap zudem unzählige edelsüße Varianten auf höchstem Qualitätsniveau. So wundert es nicht, dass er in seiner „Wahlheimat“ Südafrika das Rebsortenranking anführt. Mit ca. 18.500 ha übersteigt er weit die Anbaufläche seines Ursprungslandes Frankreich (ca. 9800 ha).
In ganz anderen Dimensionen wird Chenin Blanc in Asien angebaut. Mit weniger als 20 ha ist die Anbaufläche in Thailand verschwindend gering. Und doch zeigt sich dort ein weiteres Phänomen der vielseitigen Sorte: sie kann in Breitengraden hochwertige Weine hervorbringen, wo laut Lehrbuch gar kein Weinbau möglich ist. Die Weinberge der Monsoon Valley Winery befinden sich auf dem 13.° nördlicher Breite und liegen somit fernab der herkömmlichen Anbaugebiete. Dennoch braucht sich der Chenin Blanc Late Harvest im internationalen Vergleich keineswegs vor anderen Süßweinen zu verstecken und hat nicht durch Zufall weltweit zahlreiche Auszeichnungen gewonnen. Die Aromen von reifen, tropischen Früchten, Pfirsich und Quitte mit Anklängen von Akazienhonig und einer strukturgebenden Säure am Gaumen, lassen das Herz eines jeden Dessertwein-Liebhabers höher schlagen.
Deutlich weiterverbreitet als dieser „fernöstliche Exot“ sind die traditionellen Crémants und Stillweine der Loire, die auf Chenin Blanc basieren und mitunter eine extrem hohe Lagerfähigkeit aufweisen.
Dennoch hat sich die weltweite, Rebfläche der Sorte innerhalb von nur 20 Jahren von knapp 60.000 ha (1990) auf etwa 35.100 ha (2010) fast halbiert. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum ist Sauvignon Blanc flächenmäßig um das 2,5fache auf über 111.000 ha angewachsen. Verwunderlich ist diese Entwicklung durchaus. Zeigt er seine enorme Aromenvielfalt doch immer mit einer positiven Bescheidenheit, die es so schwer macht, sich an dieser Rebsorte sattzutrinken.