Anfang 2016 schreckte die Weinwelt auf, als die neuesten Zahlen der weltweiten Rebanbaufläche veröffentlicht wurden. An zweiter Stelle stand dort China mit über 800.000 Hektar Rebfläche. Erstaunlich war dies speziell, da traditionelle Weinbaunationen wie Frankreich und Italien nun an Position drei und vier rangierten. Von einem Umbruch in der Welt des Weinbaus zu sprechen wäre verfrüht. Große Teile der Produktion werden als Tafeltrauben oder Rosinen vermarktet und ca. 150.000 Hektar werden zur Weinproduktion verwendet.
China ist in Bezug auf Anbaubedingungen breit gestreut. Meistens werden weder die klimatischen Voraussetzungen, noch die Namen der Weinbaugebiete geläufig sein. Xinjiang, Ningxia, Gansu, Shanxi, Shandong, Peking, Tonghua um einige der 12 bestehenden Gebiete zu nennen. Vereinfachend lässt China sich in drei Bereiche unterteilen. Shandong liegt an der Ostküste Chinas unterhalb von Peking und genießt ein mediterranes Klima. Warme Sommer und milde Winter erleichtern einerseits den Weinbau, eine erhöhte Luftfeuchtigkeit begünstigt andererseits Krankheiten. Nichts desto trotz sind die klimatischen Voraussetzungen interessant und es wird einen Grund haben, wieso Domaines Barons de Rothschild 2008 mit der Planung eines Weinguts in Shandong begann und 2011 die ersten Reben pflanzte. Nördlich von Shandong befinden sich die Weinbauregionen Peking und Tonghua, welche eher unter trockenem Einfluss aus dem Landesinneren stehen. Peking erfährt regelmäßig die Ausläufer von Sand- und Staubstürmen aus der ca. 1000 Kilometer entfernten Wüste Gobi. Im Winter werden Temperaturen von -20 Grad Celsius erreicht, welche über längere Zeiträume bestehen können und z.B. Tonghua zu einem interessanten Gebiet für Süßweine macht. Xinjiang liegt im Nordwesten Chinas. Extreme Temperaturen prägen den Weinbau, d.h. 35 Grad Celsius im Sommer und -25 Grad Celsius im Winter. Wetterkonditionen, die eine Rebe nicht überleben würde, ohne im Winter vergraben zu werden. Also nicht mit dem Kieferzweigen abgedeckt, was in unseren Breitengraden ausreicht, sondern unter 30-80 Zentimeter Boden begraben. Dadurch wird das Erfrieren der Rebe verhindert, bzw. wegen der extrem kalten Winde, eine Austrocknung. Gansu, Shanxi und die aktuell renommierteste Weinbauregion Chinas: Ningxia, wenden die Technik des Vergrabens zum Schutz der Reben an. Entstehende Kosten und Aufwand für Arbeit sind enorm, auch wenn Teile maschinell durchgeführt werden können.
Chinas Weinbau erfährt aktuell großes Interesse. Einerseits durch die steigende Anzahl internationaler Auszeichnungen, andererseits durch die Neugier am Unbekannten. Diese Neugier hat 48 Weinmacher aus 18 Nationen dazu bewegt in Ningxia einem außergewöhnlichen Wettbewerb beizuwohnen: „Ningxia Winemakers Challenge“. Der Wettbewerb begann im September 2015 und jedem Weinmacher wurde ein Weingut zugelost. Ja, es gibt deutlich mehr als 48 Weingüter in Ningxia. Stand 2016 sind über 200 Weingüter offiziell registriert. Jeder Teilnehmer erhielt drei Hektar Rebfläche und zwei Jahre Zeit, um daraus einen Wein zu bereiten. Neu und außergewöhnlich empfand ich die das Thema Rebfläche im diesem Wettbewerb. Jeder Teilnehmer bekam drei Hektar Rebfläche einer über 150 Hektar großen Rebanlage zugeteilt, welche 1997 ausschließlich mit Cabernet Sauvignon bepflanzt wurde. Bis zur Ernte wurden die Reben identisch gepflegt. Jeder Weinmacher entschied über die Art der Ernte, welche Menge und welche Teile geerntet wurden, um daraus seinen Wein zu bereiten. Der komplette Weinbereitungsprozess wurde von den Teilnehmern definiert und durchgeführt, soweit es die technischen Möglichkeiten des zugelosten Weinguts zuließen.
Am 29. August 2017 fand in Peking die abschließende Verkostung der Weine statt. Als Mitglied im Fachverband der unabhängigen Weindozenten und Chinaspezialist, wurde ich als Juror zur Veranstaltung eingeladen. Eine völlige Neuheit war für mich die Verkostung von 48 Weinen, die als Basis Cabernet Sauvignon von einem Weingarten enthielten, aber jeder Wein war in einem anderen Weingut durch einen anderen Weinmacher hergestellt.
Obwohl der anfängliche Gedanke war, dass sich die Weine sehr ähnlich präsentieren werden, wurde ich angenehm überrascht. Durch die unterschiedliche Herangehensweise jedes Weinmachers und einer gegebenen Ausstattung im Weingut, war eine Vielzahl an Weinen entstanden. Die Bandbreite reichte von fruchtig international, über voll und wuchtig bis leicht und elegant. Die Resultate der Verkostung zeigen, dass eine junge und aufstrebende Weinregion wie Ningxia von neuen Ideen und unterschiedlichen Herangehensweisen profitiert und eine Weiterentwicklung angestoßen wird.