Wie kann das sein? Erst war der Jahrgang 2016 schon abgehakt unter dem Kürzel: ‚Das wird nix mehr‘. Und jetzt ist der Jubel groß. Und sogar die Menge stimmt. Mit 90 Hektoliter pro Hektar liegt der deutsche Ertrag im Normbereich. Also was nun? Ein Wunder, Zauberei oder alles nur Lüge?
Die Erklärung ist erstaunlich einfach und beweist wieder mal, dass man den Tag nicht vor dem Abend loben aber auch nicht verdammen sollte. Es war einfach ein geiler September. Als hätte Petrus wegen seiner Untaten von Mai bis Juli ein schlechtes Gewissen bekommen. Plötzlich fand er in seinem Füllhorn noch die Joker-Karten, die er üblicherweise für Sonne und Wärme einsetzt. Die er aber bis dahin verlegt hatte. Jetzt kam also die Wiedergutmachung. Und alles in einem einzigen Monat. Der goldene Oktober fand diesmal im September statt. Gut für den Wein. Denn es bewahrheitete sich mal wieder die alte Winzerregel, dass die alles entscheidende Zeit für die Trauben die letzten sechs Wochen vor der Lese sind. Für die Grillparty-Freaks ist der Sommer schon fast gelaufen, wenn es im Juli immer noch kühl und nass ist. Nicht so für den erfahrenen Winzer. Der weiß: erst im August und September wird der Wein gemacht.
Als der Perosnospora-Pilz im Mai, Juni und Juli erhebliche Teile der Trauben vernichtet hatte, gingen Schätzungen durch die Medien: 30%, 40% 50% Verlust. Das war keineswegs gelogen. Es waren tatsächlich so viele Trauben befallen. Nur entspricht dieser Schaden eben nicht der Ernteeinbuße am Ende. Denn welcher Winzer macht noch eine grüne Lese, wenn er sieht, dass die Natur das schon längst für ihn erledigt hat? Am Ende entstand dann tatsächlich sogar noch Trockenstress. Klingt verrückt, in einem so nassen Jahr. War aber so. Vor allem die frühen Sorten litten unter Trockenheit, z.B. die Burgundersorten. Die Riesling-Lese dagegen konnte noch von einigen Regengüssen profitieren, was teilweise sogar zu überdurchschnittlichen Erträgen führte. Die warmen Septembernächte trugen zum Säureabbau bei, so dass die Weine uns wie 2015 mit moderater Säure verwöhnen.
Ähnlich schwierig wie in Deutschland verlief die Saison in Nordfrankreich und Norditalien. In den südlicheren Regionen war der gesamte Sommer heiß und trocken. Ergo: sehr reife Trauben und Erträge, die unter Trockenstress litten.
In Deutschland sehnt sich trotz des glücklichen Endes garantiert kein Winzer zu so einem Jahr zurück. Denn es war purer Stress. Es wurde so häufig gespritzt wie schon lange nicht mehr. Dafür musste oft über aufgeweichte Böden gefahren werden, was diese sehr verdichtet. Und am übelsten waren die Bio-Winzer dran. Denn sie dürfen seit 2013 nur noch Kupfer einsetzen gegen den Peronospora-Pilz. Und auch das nur in streng limitierter Menge. Kupfer wird aber stets vom nächsten Regen wieder abgewaschen. So sind also die Verluste im Bio-Anbau besonders groß. Für 2017 hoffen jetzt alle Winzer auf ein „ganz normales Jahr“.