Die schönste Zeit des Jahres ist vorbei und die letzten Heimkehrer packen ihre am Urlaubsort entdeckten Weine aus. Den daheim gebliebenen wird nun von kulinarischen Urlaubs-Genüssen vorgeschwärmt und wer Glück hat, darf vom mitgebrachten probieren.
Und wer hat sie nicht im Keller? Die mitgebrachten Fläschchen verschiedener Reisen in den Süden. Schade eigentlich, dass diese Entdeckungen zu Hause nicht so recht schmecken wollen. Warum eigentlich?
Die Antwort ist einfach: „Wein ist emotional“! Vielleicht sogar das emotionalste Getränk der Menschheit.
Das glauben Sie nicht? Wo sonst schmeckt ein einfacher Vino Rosso aus der 2-Liter-Pulle so lecker wie am Strand von Livorno oder Pesaro. Das Meer, die warme Luft, andere Öle, Gewürze und überhaupt das Essen und das ungezwungen sein in einem anderen Biorhythmus.
Der obligatorische Sonnenuntergang tut sein Übriges dazu, sodass die ausgeschütteten Glückshormone die Sinne benebeln. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass der lokale Wein auch fast nichts kostet, so kommt die Freude über das unglaubliche Schnäppchen noch oben drauf.
Gute Gründe, warum sich im Kofferraum ein Plätzchen für ein paar Flaschen findet. Zur Not lässt man die Strandmatten zurück.
Wie kommt es, dass der Tropfen zu Hause einfach nicht schmecken will?
Zu Hause angekommen finden sich kaum Worte über die geschmackliche Verfehlung. Keine Sorge, Sie leiden nicht an Geschmacksverirrung. Sie sind nur wieder in der realen Welt und im Alltag angekommen. Der Geschmack eines Weines ist eben nicht nur von Qualität, Herkunft und Preis abhängig. Geschmack ist bei so einem emotionalen Getränk vor allem äußeren Einflüssen geschuldet.
Schmeckt oder Schmeckt nicht, das ist mein Credo, seit dem ich 1990 in die Weinbranche gekommen bin. Eine mitgebrachte „Urlaubs-Entdeckung“ ist ein eindrückliches Beispiel wie das mit dem sogenannten Geschmack (über den es ja bekanntermaßen nichts zu streiten gibt) funktioniert. Je nach Situation, Anlass, Gesellschaft, Umgebung und Speisen, können wir ein und denselben Wein tatsächlich anders empfinden.
Viel zu viele „Weinpäpste“ erklären uns seit Jahrzehnten, was im Wein zu riechen und zu schmecken ist. In meinen Sensorik-Seminaren erlebe ich meist, dass dies zu Irritationen führt, und eher Angst vor dem Produkt Wein auslöst. Angst ist jedoch ein ganz schlechter Begleiter, vor allem wenn’s um Genuss gehen soll.
Mein Tipp: Lassen Sie sich nicht verunsichern, wenn Sie als Amateur mit Wein-Profis einen Tropfen verkosten. Lassen Sie den Profi ruhig riechen und schmecken, was er will. Denken Sie stets daran, dass es sein Geschmack ist und nicht Ihrer. Versuchen Sie für sich selbst den Wein zu schmecken und scheuen Sie sich nicht, so darüber zu sprechen, wie Sie diesen „Emotional“ empfinden.
Und sollten Sie mit einem Wein tatsächlich Mühe haben, weil er Ihnen einfach nicht die Gurgel runter will. Freuen Sie sich! Es gibt noch Tausende von Alternativen zu entdecken. Probieren Sie einfach den Nächsten. Zum Wohl!